Den 11.3.1935
Herrn Stijn Streuvels
Ingoyghem
bei Kortrijk
Hochverehrter Herr Streuvels!
Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihren so liebenswürdigen Brief vom 9. März, der heute morgen bei uns eingetroffen ist und über den ich mich sehr gefreut habe.
[1] Sie haben recht: es ist außerordentlich bedauerlich, daß die Fühlung zwischen Ihnen und uns nicht schon früher zustande gekommen ist und nur auf dem Wege über Herrn
Pohl.
[2] Ich verstehe auch vollkommen Ihren Wunsch nach einer Änderung dieses Verhältnisses, denn wenn es auch eine Zeitlang gut gehen mag, auf die Dauer kann ein vertragsmäßiges Verhältnis mit Herrn
Pohl nicht ohne unerfreuliche Nebenwirkungen bleiben. Vor allen Dingen ist ja ein solcher Vermittler wirklich vollkommen unnötig, denn jede Person mehr, die in die Beziehung zwischen Autor und Verleger noch eingeschaltet wird, kompliziert die Dinge viel mehr, als sie sie vereinfacht. Nun haben Sie ja aber bestimmt keinen "lebenslänglichen" Vertrag mit Herrn
Pohl geschlossen, und jede Bevollmächtigung läßt sich bei Einhaltung einer gewissen Kündigungsfrist wieder aufheben. Das ist im deutschen Bürgerlichen Gezetzbuch so vorgesehen und im internationalen Recht zweifellos nicht anders. Aber über diese Dinge spricht man tatsächlich besser mündlich, und so werde ich
[2]denn Ihre freundliche Aufforderung sehr gern ergreifen und Sie besuchen. Ich hoffe, daß es gelingt, für diesen Zweck die ja leider bestehenden Devisenschwierigkeiten zu beseitigen.
[3] Da zwischen Belgien und dem Deutschen Reich kein besonderes Reiseabkommen besteht, darf man nur
R[eichsmark] 10.- über die Grenze nehmen. Vielleicht gelingt es mir aber, für diesen Zweck eine Sonderbewilligung zu erreichen. Ich würde dann meine Reise so legen, daß ich Ihnen möglichst das erste fertige Exemplar unserer deutschen Ausgabe von "
Prütske" persönlich überbringen kann, und Sie natürlich rechtzeitig vorher benachrichtigen.
[4]
Die Frage mit
"Flachsacker" ist allerdings nach dem, was Sie schreiben, nicht ganz einfach, aber auch diese Frage werden wir wohl lösen können. Da Sie in Ihrem Brief so freundlich selber aussprechen, daß Sie das Buch gern bei uns sehen würden, so hoffe ich sicher, daß wir gemeinsam auch einen Weg finden werden, dies zu ermöglichen. Wie Sie mir schreiben, hat also der
Insel-Verlag das Übersetzungsrecht durch eine einmalige Abfindung erworben;
[5] er ist demnach berechtigt, ohne weitere Honorarzahlungen beliebig viele Auflagen herzustellen. Er ist aber nicht berechtigt, dies
nicht zu tun, also das Buch stillzulegen oder, wie man in Deutschland sagt, "totzusitzen", denn das verstößt gegen die verlagsgesetzliche Pflicht des Verlegers, ein Buch zu verbreiten, dessen Verlagsrecht er erworben hat. Daß das Buch zurzeit vergriffen ist (
épuisé), darüber besteht wohl kein Zweifel, denn die ganze "
Bibliothek der Romane", in der damals "
Flachsacker" erschienen ist, wird vom
Inselverlag offenbar nicht mehr geführt. So wie ich Herrn
Kippenberg kenne, ist es aber leicht möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß er, wenn wir nun "
Prütske" herausbringen und dieses Buch überall anzeigen, vor allen Dingen aber, wenn dieses Buch — was ich herzlich hoffe — starken Erfolg haben wird, plötz-
[3]
lich Lust bekommt, im Anschluß an unsere Reklame eine Neuausgabe von "
Flachsacker" zu machen. Es ist wohl kein Zufall, daß jetzt in der
Insel-Bücherei wieder eine Neuauflage Ihrer Erzählung "
Der Arbeiter" erscheint, nachdem im vorigen Jahr unsere Neuausgabe von "
Knecht Jan" erschienen und überall begeistert besprochen worden ist.
Sobald also "Prütske" erschienen ist, wird Herr Kippenberg nicht mehr viel Lust verspüren, "Flachsacker" freizugeben, und diese Lust wird noch weiter vermindert werden, wenn dann später bei uns "Liebeshandel" herauskommt und wir uns auch für dieses Buch Mühe geben. Es ist also notwendig, noch im März und noch ehe "Prütske" erscheint, von Herrn Kippenberg einen Verzicht auf "Flachsacker" zu erlangen.
Ich kenne Herrn Kippenberg ganz gut, und unsere Unterhaltungen sind sowohl brieflich als mündlich immer sehr freundlich gewesen. Doch ist Herr Kippenberg leider grundsätzlich allen Vorschlägen, die von Kollegenseite kommen, vollkommen unzugänglich. Als ich ihm vorschlug, wir wollten doch gegenseitig unsere Streuvels-Bücher anzeigen, lehnte er dies ab (ich habe trotzdem nicht darauf verzichten wollen, "Die Ernte" in "Knecht Jan" anzuzeigen, und habe daher auf Gegenleistung des Insel-Verlags verzichtet und "Die Ernte", wie Sie sehen, in "Knecht Jan" hinten angekündigt).
Ich würde also der Sache zweifellos einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich an Herrn
Kippenberg jetzt schriebe. Ganz etwas anderes ist es, wenn
Sie dies tun. Wenn Sie an den
Insel-Verlag schreiben, Sie möchten die wichtigsten Ihrer Wer
[4]ke bei
Engelhorn vereinigen und wünschten, daß auch "
Flachsacker" in neuer Auflage bei
Engelhorn erscheine, und Herrn
Kippenberg bitten, die alleinige Autorisation an diesem Buche an
Engelhorn abzutreten oder Ihnen zurückzugeben (das letztere ist die bessere Form!), so wird er sich dem kaum widersetzen können. Ist dieser erste Schritt gelungen, so sind dann die Verhandlungen mit Herrn
Rüttgers leicht.
[6]
Ich benütze diese Gelegenheit, um Ihnen zu erklären, daß ich am gestrigen Sonntag die
Pottmeyersche Übersetzung von
"Minnehandel" zu Ende gelesen habe, daß wir die in dem Vertrag
Streuvels-
Pohl-
Engelhorn vereinbarte Option auf dieses Buch
[7] ausnützen, also auch "
Minnehandel" für uns erwerben wollen. Somit haben Sie also die Sicherheit, daß schon dieser Bauernroman neben "
Knecht Jan" stehen wird, und daneben darf dann wirklich ein so hochbedeutendes Werk wie der "
Flachsacker" nicht fehlen.
[8] Ich möchte also anregen, daß Sie so bald als möglich in diesem Sinn an Herrn Professor
Kippenberg schreiben.
"Minnehandel" ist ebenfalls ein prachtvolles Buch, wenngleich ich "
Flachsacker" noch höher stelle. Allerdings ist die
Pottmeyersche Übersetzung von "
Minnehandel" unbeschreiblich schlecht, und ich hoffe, daß die Übersetzung von Frau
Valeton (die von Herrn
Pohl gelobt wird) wirklich besser ist. Herr
Pohl hat uns übrigens immer nur von "
Liebeshändel" geschrieben. Nachdem ich das Buch kenne, bin ich persönlich aber fest überzeugt, daß Sie "
Liebeshandel" meinen, denn das ist doch schließlich der Sinn des Ganzen und namentlich der zweiten Hälfte.
[9] Wie Herr Pohl auf "Liebeshändel" kommt, ist mir nicht klar. Entweder spielt das Unterbewußtsein oder die Freude an Mißverständnissen oder das Händel-Gedächtnisjahr, das wir dieses Jahr feiern,[10] dabei eine geheimnisvolle Rolle. Es wäre also in jedem Betracht praktisch und günstig, wenn es gelänge, die Angelegen
[5]heit mit dem
Insel-Verlag brieflich innerhalb der nächsten vierzehn Tage zu regeln. Dann könnten wir bei meinem Besuch gleich den Autorisations-Vertrag über "
Flachsacker" schließen, und ich könnte bei der Rückreise in Koblenz versuchen, Herrn
Rüttgers zu treffen um mit ihm wegen seiner Übersetzung Fühlung zu nehmen; wie mir
Fr[äu]l[ein] Schmülling einmal schrieb, soll Herr
Rüttgers dort leben.
Nicht ganz unwichtig ist für Sie ja auch folgende Überlegung: Bleibt der "Flachsacker" beim Insel-Verlag, so haben Sie kein Honorar mehr zu beanspruchen, geht das Autorisationsrecht aber auf Engelhorn über, so erhalten Sie Honorar und zwar ein Honorar, von dem Sie nichts an den Herausgeber, höchstens etwas an den Übersetzer abzugeben haben.
Ich freue mich sehr auf Ihre weiteren Nachrichten
[11] und begrüße Sie in herzlicher Verehrung
als Ihr sehr ergebener
(handtekening Adolf Spemann)
Annotations
[2]
Gerhart Pohl bood Adolf Spemann eind 1933, begin 1934 het boek
Knecht Jan ter uitgave aan. Spemann nam de uitgave aan en er werd een contract afgesloten tussen Stijn Streuvels en J. Engelhorns Nachf. Verlag met Gerhart Pohl als literair agent.
[3]
Nazi-Duitsland blokkeerde alle gelden. Daarom had Streuvels in Krefeld, net over de grens, een bankrekening geopend en kreeg hij nog heel wat praktische (financiële) adviezen van Hans Nimtz.
H. Speliers, Als een oude Germaanse eik.)
[4]
Op
30 maart 1935 deelt Spemann Streuvels mee dat hij van plan is op 8 april naar het Lijsternest te komen.
[5]
Het contract voor
Der Flachsacker werd afgesloten tussen Stijn Streuvels en Insel Verleger Anton Kippenberg. (Letterenhuis, S 935/C)
[6]
op
14 maart 1935 schreef Stijn Streuvels aan Insel Verleger Kippenberg met de vraag waarom er zo weinig publiciteit werd gemaakt voor dit boek
in tegenstelling met de drukke publiciteit voor vertalingen van andere Vlaamsche boeken, o.a. Timmermans. Hij vervolgde:
In geval Gij er aan verzaken wilt, en de uitgaaf vrij laat, zou ik er aan houden eene nieuwe uitgaaf te laten verschijnen, opdat het boek, samen bij de andere Duitsche vertalingen, kan in den handel komen. Spemann werd hier nog niet vermeld.
Cf. ook H. Speliers, Als een oude Germaanse eik, p. 296
[7]
De optie van J. Engelhorns Nachf. op de Duitse vertaling van
Minnehandel werd contractueel vastgelegd in het akkoord dat werd gesloten tussen Gerhart Pohl, Stijn Streuvels en J. Engelhorns Nachf. voor
Prütske. Die Geschichte einer Kindheit, d.d. 24 december 1934. Artikel 19 luidt:
Herr Pohl überträgt an J. Engelhorns Nachf. die Option auf den von Herrn Stijn Streuvels verfaßten Roman "Liebeshändel" zu den Bedingungen dieses Vertrags mit der Ausnahme, daß Herr Pohl das Recht hat, einen einmaligen Vorabdruck des Werks vor der Buchausgabe für eigene Rechnung, beziehungsweise die des Herrn Streuvels zu verkaufen. Der Verlag hat sich innerhalb von vier Wochen nach Eintreffen der druckfertigen Übersetzung von "Liebeshändel" für Annahme oder Ablehnung zu entscheiden. Letterenhuis, S 935/C)
[8]
Der Flachsacker zou in 1937 in een nieuwe vertaling door Insel Verleger Kippenberg op de markt gebracht worden.
[9]
Tussen de Duitse woorden 'Handel' en 'Händel' is er inderdaad een betekenisverschil. 'Handel' betekent letterlijk 'handel, het zakendoen', terwijl 'Händel' 'ruzie, twist' betekent.
[10]
In 1935 vierde men de 250ste verjaardag van de geboorte van componist G.F. Händel (1685-1759).
[11] cf. antwoord van Stijn Streuvels in zijn brief aan Adolf Spemann van
21 maart 1935.