Den 30.3.1936
Herrn Stijn Streuvels
Ingoyghem
bei Kortrijk
Hochverehrter Herr Streuvels!
Empfangen Sie besten Dank für Ihren liebenswürdigen Brief vom 23. März.
[1] Wir sind nun sehr gespannt, was
Schünemann auf Ihren Brief antworten wird, und danken Ihnen, daß Sie uns seinen Inhalt mitgeteilt haben; Ihr Brief scheint ausgezeichnet zu sein.
Nun zur Frage der
Übersetzungen und des
deutschen Titels von "
Minnehandel". Ich kann den wenigen Kritikern, die den deutschen Titel "
Liebesspiel in Flandern" nicht für gut halten, in keiner Weise beistimmen, zumal auch die Stimme der Leser noch schwerer wiegt als die einiger Rezensenten: allgemein höre ich sowohl aus dem Publikum, wie auch aus Buchhandelskreisen, daß der Titel "
Liebesspiel in Flandern" ganz ausgezeichnet sei. Übrigens habe ich Ihnen bereits im Brief vom 27. Januar von diesem von uns beabsichtigten deutschen Titel Mitteilung gemacht,
[2] und Sie haben ihn selbst in Ihrem Brief vom 29. Januar verwendet und keinen Einspruch dagegen erhoben.
[3]
Dagegen stimme ich vollkommen mit Ihnen darin überein, daß künftig eine engere Fühlungnahme zwischen Ihnen und dem deutschen Übersetzer notwendig ist; es ist ja schon ein außerordentliches Glück, daß Sie die deutsche Sprache so ausgezeichnet beherrschen, und dieser Vorteil muß für die Bücher
[2]selbst ausgenützt werden. Frau
Valeton ist ja, wie Sie wissen, von Herrn
Pohl und nicht von uns ausgesucht worden, und wir hatten diese vollendete Tatsache hinzunehmen. Ich selber wußte absolut nichts davon, daß es eine frühere und zwar andere Fassung von "
Minnehandel" gab
[4] und daß Frau
Valeton diese erste Fassung übersetzt hat. Sie selber hat uns darüber nie etwas geschrieben, und auch Herr
Pohl hatte es uns nicht mitgeteilt. Ich habe die ganze Sache erst vor wenigen Wochen, als das Buch bereits vollkommen fertig vorlag, dadurch entdeckt, daß Herr
D[okto]r Jacob mir einen großen Bericht einer seiner Schülerinnen übersandte, in dem auf große Verschiedenheiten der
Valetonschen Übersetzung und der
zweiten Auflage von "Minnehandel" hingewiesen wurde. Diese Verschiedenheiten waren so groß, daß bei mir die Vermutung auftauchte, es müsse zwei Ausgaben von "
Minnehandel" geben; ich schrieb dann sofort an Frau
Valeton, und diese hat uns dies bestätigt, worauf wir es sofort Herrn
D[okto]r Jacob mitgeteilt haben. Man hätte nämlich sonst annehmen müssen, daß Frau
Valeton eigenmächtig in dem Werk Änderungen und Zusätze vorgenommen habe. Alles dies hätte durch Fühlungnahme des Übersetzers mit Ihnen vermieden werden können, und so wollen wir es künftig halten.
Nun zum Fall
Ackermann.
[5] Ich freue mich, heute mein etwas zu scharfes Urteil aus meinem Brief vom 18. März
[6] berichtigen zu können. Das Manuskript der Übersetzung war außerordentlich stark durch handschriftliche Korrekturen, Umstellungen, Striche
u[nd ]s[o ]w[eiter] verunstaltet. Ich habe es hier im Hause vollkommen neu abschreiben lassen und dann noch einmal ganz gelesen; zu meiner Überraschung zeigte sich, daß die Qualität doch wesentlich besser ist, als ich unter dem ersten Eindruck angenommen hatte. Ganze Partien sind einwandfrei, dann wieder kommen merkwürdige Ungeschicklichkeiten. Charakteristisch ist eine gewisse Unbeholfenheit in der Verwendung der Tempora. So
[3]viel ist aber sicher: die Überarbeitung ist eine viel leichtere Aufgabe, als ich gedacht habe.
Ich habe nun die neue Abschrift am 27. März an die Schülerin von Herrn
D[okto]r Jacob, Fräulein
Erna Wolf in Hamburg, geschickt und sie von dort nach Überarbeitung wieder hierher zurückerbeten. Dann sehe ich sie mir durch und lasse sie setzen. Sie erhalten dann
[den] Korrekturbogen.
[7]
An Herrn
Ackermann werde ich im gleichen Sinne schreiben. Er schrieb uns vorgestern und bittet uns, nicht die Meinung zu verbreiten, die Übersetzung von "
Knecht Jan" sei von einer anderen Person verbessert worden. Ich werde mich nur freuen, wenn diese Vermutung sich als unrichtig erweist. Tatsache ist jedenfalls, daß die
Quitzowsche Ausgabe der
Ackermannschen Übersetzung
[8] für uns dann noch von Herrn
Pohl retouchiert worden ist, doch waren diese späten Änderungen geringfügig.
Schließlich noch die Frage der
Einladungen nach Essen und Soest.
[9] Ich begreife ja vollkommen, daß Sie unter diesen Umständen keine Lust haben, und habe diesen Bescheid an Herrn
D[okto]r von Hatzfeld bereits weitergegeben. Er schreibt uns nun heute noch einmal sehr schön, Sie brauchten gar keine Sorge zu haben, daß Sie etwa als "Ausstellungs-Objekt" behandelt würden. Die Einladung ist an Sie als einen Menschen aus ähnlicher und verwandter Landschaft ergangen, und Sie hätten bei der Soester Veranstaltung Gelegenheit, an Tausende von Menschen dieser Gegend mittelbar und unmittelbar heranzukommen, und zwar auf dem Weg, der ausdrücklich bei allen Veranstaltungen dieser Tage be
[4]absichtigt ist, nämlich auf dem Wege des Erlebnisses und Gefühls und nicht auf dem Weg von Sensation und Äußerlichkeit. Mit besonderer Freude entspreche ich der Bitte von Herrn
D[okto]r von Hatzfeld und gebe dies noch einmal an Sie weiter.
[10]
Schließlich mache ich mir die Freude, Ihnen heute 10 Stücke des Osterheftes unserer "
Literarischen Flugblätter" zu übersenden, in dem Ihnen, wie Sie sehen, wieder ein breiter Raum gewidmet ist.
[11] Wir verschenken das Heft an 12 000 Empfänger, aber gelesen wird es sicher von der doppelten oder dreifachen Zahl. Inzwischen ist mein kleiner Aufsatz "
Besuch bei Stijn Streuvels" von insgesamt 35 Zeitungen abgedruckt worden.
[12]
In aufrichtiger Verehrung
(handtekening Adolf Spemann)
Annotations
[4]
Spemann bedoelt hier de
eerste druk van Minnehandel uit 1903. Streuvels was ervan uit gegaan dat Valeton zich voor haar vertaling op de
tweede druk (1921) van dit werk baseerde.
[5]
Werner Ackermann werkte aan de Duitse vertaling van
Het leven en de dood in den ast, die in september 1936 werd gepubliceerd als
Die Männer am feurigen Ofen.
[7]
Twee maanden later, op
22 mei 1936 stuurt Spemann de door Erna Wolf herziene vertaling van
Die Männer am feurigen Ofen naar Streuvels. De titel
Het leven en de dood in den ast werd toen nog letterlijk vertaald als
Leben und Tod in der Zichoriendarre.
[8]
Knecht Jan werd in 1929 uitgegeven bij Quitzow Verlag.
[9]
Cf. brief van Adolf Spemann aan Stijn Streuvels van
18 maart 1936. Op
23 maart 1936 antwoordde Streuvels dat hij nog vijf hoofdstukken voor zijn boek
Levensbloesem moest schrijven en dat hij
un très mauvais sujet "d' exhibition" was.
[11]
In
Literarische Flugblätter van april 1936 werd een fragment uit de Duitse vertaling van
Minnehandel opgenomen: '
Liebesspiel in Flandern', p. 18-23. Verder vinden we er nog een paginagrote foto van Stijn Streuvels en in de '
Mitteilungen des Verlags' werd nog het volgende over Streuvels meegedeeld:
Stijn Streuvels hat zusammen mit den anderen flämischen Dichtern René de Clercq und Cyriel Verschaeve den erstmals verteilten hansischen Rembrandtpreis erhalten, den ein ungenannter Hamburger Grosskaufmann gestiftet hat und der von der Universität Hamburg verwaltet wird. Die Verkündung erfolgte durch den Rektor, Herrn Professor Dr. Rein, in einer würdigen, von Musik und Sprechchören umrahmten Feier im grössten Hörsaal der Universität; im Mittelpunkt stand eine ausgezeichnete Rede des Germanisten Professor Borchling über die Preisträger. Stijn Streuvels hat inzwischen zahlreiche Einladungen zu Vorleseabenden in Deutschland erhalten, musste diese aber leider vorläufig ablehnen, da er sich mitten in der Arbeit an einem neuen Roman befindet; man hofft jedoch, den Dichter nach Vollendung dieses Werkes in Deutschland hören zu dürfen.
[12]
Op 2 juni 1935 verscheen Spemanns verslag '
Bei Stijn Streuvels im Amselnest' samen met de bespreking van
Prütske '
Ein Dichter erzählt von seinem Kind' en een uittreksel uit
Prütske onder de titel '
Das ist "Prütske"' o.a. in
Völkischer Beobachter, '
Kulturpolitik und Unterhaltung. Tägliches Beiblatt zum "Völkischen Beobachter"' (153. Ausgabe).