7.6.1951
7 Juni
Herrn
D[okto]r Stijn Streuvels
Ingoyghem bei Kortrijk
Het Lijsternest
Hochverehrter lieber Herr
D[okto]r Streuvels!
[1]
Unsere beiden Briefe vom 4. Juni haben sich gekreuzt;
[1] vielen Dank für den Ihrigen.
Wiener Vertrag. ¶ 2 bestimmt ausdrücklich, dass auch Lizenzausgaben (¶ 2d) nur in beiderseitigem Einvernehmen veranstaltet werden dürfen. (das merkwürdige Wort "einvernehmlich" ist offenbar in Österreich üblich; wir kennen es nicht). Eigentlich sehe ich hier keine Schwierigkeiten für eine spätere deutsche Lizenzausgabe in meinem Verlag. Doch würde ich es begrüssen, wenn man etwa folgenden Paragraphen noch neu einfügen würde:
"Für den Fall, dass Herr D[okto]r Streuvels und der Amandus-Verlag eine Lizenzausgabe in einem nicht-österreichischen Verlag veranstalten wollen, hat der Engelhornverlag Adolf Spemann Stuttgart das Vorrecht auf eine solche Lizenzausgabe; dieser hat sich innerhalb von acht Wochen bei einem etwaigen Angebot zu entscheiden, ob er eine solche Lizenzausgabe veranstalten will oder nicht. Über die Bedingungen ist zwischen Herrn D[okto]r Streuvels und den beiden Verlagen zu verhandeln."[2]
Honorar. Da finde ich nun einen etwas merkwürdigen Widerspruch zwischen dem Wortlaut des Vertrags und den Angaben Ihres Briefes. In dem Vertrag legt ¶5 Ihr Honorar und die Abrechnung fest. In ¶9 aber heisst es ausdrücklich, dass wegen der Übersetzung und deren Honorierung eine besondere Vereinbarung zwischen dem Amandus-Verlag und Herrn Kövari getroffen werden soll. Der Vertrag sagt also ganz klar: Der Verlag honoriert den Autor und den Übersetzer; beide Honorare haben nichts miteinander zu tun.
Nun ist in dem Vertragsentwurf die Höhe des Honorars noch nicht eingetragen. Wie Sie schreiben, soll es 12% betragen. Sie sagen aber nicht, von welchem Ladenpreis diese 12% gerechnet werden sollen. Es ist ein grosser Unterschied, ob diese 12% vom Ladenpreis des gebundenen Stückes gegeben werden oder ob sie nur vom broschierten Ladenpreis berechnet werden, und zwar auch bei den Stücken, die gebunden ver[2]kauft werden. Wie Sie wissen, habe ich das erstere System, während das zweite System (also Berechnung nur vom broschierten Ladenpreis) vor allen Dingen in Frankreich üblich ist und den Vorteil hat, dass der Ladenpreis dadurch niedriger wird.
Der Verlag wird bei der heutigen wirtschaftlichen Lage vermutlich den Übersetzer nicht auch noch ausserdem honorieren können, sondern das Honorar von 12% soll zusammen für Verfasser und Übersetzer gelten. Dann aber stimmt der Vertrag nicht.
Ich halte aber die Zumutung, dass Sie ein Drittel des Gesamthonorars an den Übersetzer abgeben sollen, für nicht gerechtfertigt und glaube, er müsste sich mit einem Viertel begnügen. Man könnte dann aber vereinbaren,, dass er als Anzahlung auf dieses Honorar nach Ablieferung seiner Übersetzung an den Verlag eine kleine Anzahlung erhält (sagen wir D[eutsche ]M[ark] 300.-), die auf das Honorar zu verrechnen ist.
Viel besser ist natürlich das alte, früher von mir immer angewendete System, dass der Übersetzer eine einmalige Abfindung (Pauschalsumme) bekommt, und zwar nach Ablieferung seines Manuskriptes. Logischerweise muss bei diesem Verfahren der Verfasser selbst sich zunächst mit etwas weniger Honorar begnügen; dafür tritt er dann später in den Genuss des gesamten Honorars, ohne noch etwas an einen Übersetzer abgeben zu müssen.
Die Übersetzer pflegen sich aber gegen diese Art Regelung immer zu wehren, und zwar ist diese neue Praxis vor etwa 25 bis 30 Jahren aufgekommen und zwar hauptsächlich durch die Übersetzer der Lagerlöf und anderer nordischer Autoren. Es ist zuzugeben, dass die Qualität der Übersetzungen dadurch besser geworden ist.
Ich sende Ihnen den Vertragsentwurf anbei wieder zurück und benütze die Gelegenheit, auch die beiden Reproduktionen aus der Flachsernte wieder beizulegen, da ich sie ja nun nicht brauche.
[3]
Sollten Sie noch weitere Fragen haben, so bitte ich Sie, sie unbedingt an mich zu richten; sie sollen sofort beantwortet werden.
Mit herzlichsten Grüssen und Wünschen an die ganze Familie.
In alter Verehrung
Ihr
(handtekening Adolf Spemann)