29.1.1957
Herrn D[okto]r Stijn Streuvels
Ingooigem b[ei] Kortrijk
Het Lijsternest
Lieber hochverehrter Herr D[okto]r Streuvels!
Schon längst hätten Sie meinen Dank für Ihren schönen Brief vom 26.12. haben müssen,[1] aber als ich ihn bekam, lag ich mit doppeltem Bruch des linken Fussknöchels und Bruch des linken Oberarms in der Unfallklinik! Weihnachten und Neujahr waren also diesmal wenig schön. Aber es hätte schlimmer kommen können. Ich bin ausgerechnet am 25.12. auf Glatteis gestürzt. Die Heilung scheitet aber so trefflich fort, dass ich guten[ ]Muts bin; wie Sie sehen, sitze ich bereits wieder zuhause am Schreibtisch und der Gipsverband ist abgenommen.
Drei Tage vor dem Unfall hatte ich das Manuskript meiner Lebenserinnerungen abgeschlossen[2] - ein besonderer Glücksfall. Und in den letzten Tagen habe ich mit Genuss Ihr reizendes Kapitel "HOE MEN SCHRIJVER WORDT" gelesen, denn nunmehr sind auch die erbetenen Bände der Sämtlichen Werke eingetroffen.[3] Ich danke Ihnen und Frau Isa sehr herzlich für dieses wundervolle Geschenk. Ich werde nun noch herrlich viel zu lesen haben und freue mich darauf.
Ganz entzückend ist das Foto von Ihrem 85. Geburtstag - damit haben Sie mir besondere Freude gemacht! Ich konnte folgende Persönlichkeiten identifizieren: Ihre sämtlichen 4 Kinder, die Herren Demey und Baert und selbstverständlich Frau Lateur, über deren treffliches Aussehen ich sehr glücklich bin, ebenso wie über Ihre herrliche Frische. Aber über die übrigen Herrschaften und Kinder können wir nur Vermutungen anstellen.
Wie interessant muss die Radiosendung über HET KERSTEKIND gewesen sein![4] So etwas versöhnt einen dann wieder mit dem DUIVELSTUIG der modernen Erfindungen!
HOE MEN SCHRIJVER WORDT ist biografisch und psychologisch gleichermassen interessant. Ihre Begabung ist doch elementar gewesen wie die eines jeden Genies, aber man sieht, dass eben auch die "Zündung" dazu kommen muss. Und Sie haben das in dieser Skizze wunderbar sichtbar gemacht. Vermutlich hat gerade diese "Spätreife" Sie vor der unglücklichen Entwicklung bewahrt, die man so oft bei "Wunderkindern" und literarischen "Frühgebärern" feststellen kann. Daher auch die wunderbare Reife und Vollendung wie bei Frühwerken wie LENTE.
Wir alle senden Ihnen und Ihrer lieben verehrten Gattin die herzlichsten Wünsche und Grüsse. An Frau Dina und Frau Isa will ich in den nächsten Tagen selbst schreiben.
In treuer Verehrung
stets Ihr
(handtekening Adolf Spemann)
(handtekening Adolf Spemann)
Annotations
[1]
Cf. brief van Stijn Streuvels aan Adolf Spemann d.d. 26 december 1956.
[2]
In 1959 werden Spemanns levensherinneringen in boekvorm uitgebracht: Adolf Spemann, Menschen und Werke: Erinnerungen eines Verlegers. München, Winkler, 1959, 351 p.
[3]
Op 18 oktober 1956 had Spemann aan Streuvels gevraagd om hem nog enkele ontbrekende banden uit de Volledig Werken te sturen.
[4]
In zijn brief aan Adolf Spemann van 26 december 1956 had Streuvels geschreven over een uitzending op Radio Hilversum over HET KERSTEKIND.
