An meine verehrten lieben Autoren und ihre Angehörigen, die ich bitte, nach Lage der Dinge mit diesem vorläufigen gemeinsamen Rundbrief, der mit Durchschlägen gleichzeitig an alle geht, vorlieb zu nehmen.
- An Herrn Hauptmann Hatto Bälz
- " Frau Gerda von Bremen
- " Herrn Major D[okto]r Wilhelm Ehmer und Familie
- " " Sturmbannführer Karl Götz " "
- " " D[okto]r Carl Haensel " "
- " " Herbert von Hoerner " "
- " " Friedrich Wilhelm Hymmen " "
- " Frau Carla Kluge und Tochter
- " Herrn Major D[okto]r Wilhelm Kohlhaas "
- " " D[okto]r Rainer Schlösser " "
- " " D[okto]r Stijn Streuvels " " Frau Ingeborg Teuffenbach
- " Frau Ell Wendt und Gatten Frau D[okto]r Renate Vowinckel
- " Herrn Otto Wirz " "
mmmmmmm
Leider muss ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass meine lieben beiden ältesten Töchter
- Rotraut Spemann, Verlagsprokuristin
- Gerda Spemann, Verlagssekretärin
bei dem Terrorangriff am 25. Juli 1944 getötet worden sind, während meine Frau und ich uns im Urlaub befanden. Eine der ersten Bomben traf mein Privathaus und zerstörte es vollkommen; es gelang meinen Töchtern nicht mehr, den völlig bombensicheren Stollen, an dem sie mitgearbeitet und den wir sonst immer aufgesucht hatten, zu erreichen.
Die grosse Leistungssteigerung meines Verlages in den Kriegsjahren ist zum grossen Teile der unermüdlichen und aufopfernden Tätigkeit der beiden Verstorbenen zu danken, die ihr Leben ganz dem väterlichen Beruf geweiht hatten und mit Leib und Seele Buchhändlerinnen waren. Sie waren so eingearbeitet und schliesslich so sicher, dass ich ihnen vollkommene Selbständigkeit gewähren und mich auf die Oberleitung beschränken konnte. Der Dienst am Werk, am Werk und an der Person meiner lieben Autoren stand ihnen über allen Rücksichten auf die eigene Kraft. Ich bitte Sie, den teuren Verstorbenen ein freundliches Andenken zu bewahren.
Über den Zustand und die Zukunft des Verlagsbetriebes selbst kann ich Sie beruhigen. Die Schäden sind schwerer als die bisherigen, aber [2]nicht schwer im eigentlichen Sinne. Wir haben am nächsten Tage mit der Instandsetzung begonnen und fördern diese so, dass der Betrieb in spätestens ein bis zwei Wochen wieder vollarbeitsfähig ist. In Teilen wird bereits jetzt wieder gearbeitet; ja wir haben bereits gestern wieder mit der Auslieferung an die Stuttgarter ansässigen Buchhändler begonnen.
Weitere Verluste an Menschenleben sind innerhalb der Gefolgschaft zum grossen Glück nicht eingetreten, Geschäftsinventar und Vorräte innerhalb des Hauses und auf auswärtigen Lagern so gut wie unversehrt. Dagegen sind in einer Buchbinderei leider erhebliche neue Vorräte von Büchern, die bereits beinahe fertig waren und soeben an mich abgeliefert werden sollten, vernichtet worden, nämlich 10.000
Kluge,
Der Herr Kortüm,
[1] und etwa 4.500
Ausgewählte Werke von
Streuvels,
[2] sowie 5.000 Stücke meines eigenen Buches "
Wilhelm Spemann / Ein Baumeister unter den Verlegern".
[3]
Unser Lebens- und Arbeitsmut, sowie unsere Zuversicht sind völlig ungebrochen; wir werden, unterstützt durch treuen Arbeitseifer meiner Gefolgschaft und die Hilfe aller zuständigen Stellen, bald wieder völlig gefechtsklar sein. Ich bitte meine lieben Autoren auch weiterhin um ihre Freundschaft und - Geduld! Auch mit dem Briefwechsel...
Heil Hitler!
(handtekening Adolf Spemann)
Annotations
[1]
Titelbeschrijving: Kurt Kluge,
Der Herr Kortüm. Roman. Stuttgart, J. Engelhorns Nachf., 1938.
[2]
In 1945 kon de verzamelbundel eindelijk op de Duitse markt gebracht worden
[3]
Adolf Spemann,
Wilhelm Spemann, ein Baumeister unter den Verlegern. Stuttgart, Engelhorn, 1943, 313 S.