20.11.1943
Sp/Gr
8.12.1943
Herrn
D[okto]r[ honoris causa] Stijn Streuvels
Ingoyghem bei Kortrijk
Belgien
Hochverehrter lieber Herr
D[okto]r Streuvels!
[1]
Haben Sie herzlichen Dank für Ihren eingehenden Brief vom 20.11., der mich auf das lebhafteste interessiert hat.
[2] Ich danke Ihnen ganz besonders, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mir so ausführlich über den Schluss des "
Flachsackers" zu schreiben. Die Frage, ob ein episches Werk einen "Schluß" haben dürfe oder nicht, hat mich natürlich schon sehr oft beschäftigt, denn sie taucht immer dann auf, wenn ein Roman einen solchen "Schluß" nicht hat. Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß ein Roman und ein Epos kein Drama und kein Musikstück ist und dass seine Gesetze daher auch nicht vom Theater her abgeleitet werden können. Überhaupt bin ich kein Freund von aesthetischen Theorien, denn ich finde, daß die Theoretiker im Grunde genommen doch immer hinter der Wirklichkeit herhinken, daß sie ihre Theorien also im Grunde genommen ja immer wieder vom Kunstwerk selbst beziehen und daß in die schönen Formeln, die sie auf diese Weise für sich selbst destilliert haben, dann bestimmte Kunstwerke einfach nicht hineinpassen. Statt dass nun die Formel falsch wäre, muss das Kunstwerk falsch sein!
Aber ich komme ganz einfach eben um die Tatsache nicht herum, dass ein Werk, das keinen "Aktschluß" hat, bei mir letzten Endes dann doch irgendwie ein unbefriedigendes Gefühl hinterläßt. Ja, ich habe bei den Lesern, und zwar auch sehr guten und hochstehenden Lesern, beobachtet, dass die letzten fünf Seiten eines Romans fast ganz für die innere Nachwirkung entscheidend sind. Insofern liegt also doch eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Theaterstück vor. Diese Beobachtung mache ich bei mir selbst immer wieder von Neuem, und wenn ich nun vor die Frage gestellt bin: Bin ich schuldig oder das Buch? dann regt sich natürlich der Eigensinn des Lesers und erklärt kategorisch: Nicht der Leser, das Buch ist schuld!
Daraus ergibt sich nun die sehr primitive Nutzanwendung, dass eben Dichtung und Leben doch nicht vollkommen gleichgesetzt werden können, was man ja natürlich auch sonst auf Schritt und [2]Tritt beobachten kann. Gerade die abenteuerlichen Dinge des Lebens wirken im Roman unwahrscheinlich und unmöglich, und das, was in einem Roman, gerade wenn Sie ihn schreiben, wundervolles echtes Leben ist, unterscheidet sich doch irgendwie vom wirklichen Leben, nämlich gerade durch die formende Hand des Künstlers.
Damit will ich nun garnicht sagen, dass es immer ein happy-end sein müsste oder ein tragischer Schluß mit Bombenvolltreffer und dergleichen, aber eine klare Entscheidung hat man doch gerne.
Nun sagen Sie in Ihrer ausgezeichneten Einleitung zu der Filmausgabe des "Flachsackers" (für die ich Ihnen herzlich danke) dass Sie eigentlich als Schlussbild des Filmes gerne noch einmal den Acker mit dem wogenden Korn gesehen hätten, weil es doch allein um den Acker geht. Das ist aber in Ihrem Buch nicht der Fall; jedenfalls hat man beim Lesen durchaus das Gefühl, dass , zum Mindesten im letzten Drittel des Buches, der Kampf zwischen Vater und Sohn um die Macht, also das Generationenproblem, die Hauptsache sei. Die Abdankung des alten Vermeulen und der dieser Abdankung vorangehende innere Kampf, also die Erlebnisse, Schicksale und Handlungen der Menschen, drängen sich stark in den Vordergrund des Flachsackers. Letzten Endes ist ja auch nicht der Flachsacker und die Natur an der ganzen Entwicklung schuld, sondern der Starrsinn des alten Bauern.
So ist denn auf den letzten Seiten von dem Acker überhaupt nicht mehr die Rede, und das bringt dann den Leser auf die Vermutung, dass eben doch die Menschen die Hauptsache seien. Wenigstens ist es mir so gegangen.
Würde am Schluss noch die Vision des Ackers in seiner Fruchtbarkeit und Erneuerung stehen, dann würde man wahrscheinlich das Schicksal der Menschen auch wiederum weniger wichtig nehmen.
Entschuldigen Sie diese weitläufigen Ausführungen, die ich nur mache, um Ihnen meinen Wunsch zu erklären. Wir lassen es natürlich ganz bei Ihrer Entscheidung!
Ein ganz hervorragendes Buch ist der amerikanische Roman "
Die goldene Fracht" von dem viel zu früh verstorbenen
Frank Norris.
[3] Hier ist der Weizen der Held, und dieser Schluß würde auch Sie befriedigen. Es ist übrigens ein ganz ausgezeichnetes Buch, das ich mit grossem Genuss gelesen habe. (deutsche Übersetzung bei
S[amuel] Fischer, zur Zeit wohl vergriffen).
Minnehandel[4] Wenn ich Sie recht verstehe, so ist es Ihnen recht, wenn wir die
Valetonsche Übersetzung der bei mir erschienen Ausgabe nehmen, und zwar in der etwas
erweiterten Fassung des 6.-10. [3]Tausends. Der Roman war ja zuerst etwas stärker gekürzt worden, als Ihnen lieb war, und dann haben wir diese Kürzungen wieder aufgemacht.
[5] Sollen wir diese Fassung zu Grunde legen oder aber sollen alle Ihre Änderungen im "
Vierde Druck" ebenfalles übersetzt werden?
Zeittafel[6] In meinem Brief vom 27.10. habe ich mich nicht ganz klar ausgedrückt.
[7] Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie auf den Seiten im „
Streuvels-
Buch” 111-118 auf den Rand noch die Jahreszahlen setzen könnten, also die Jahre, während deren Sie die Werke geschrieben haben (ähnlich wie neulich die kleine Liste für die
Ausgewählten Werke in zwei Bänden).
Nachwort
Anbei übersende ich Ihnen das Manuskript des Nachwortes für die Ausgewählten Werke in zwei Bänden mit der Bitte um Durchsicht und etwaige Änderungswünsche b[e]z[iehungs]w[eise] Korrekuren.
De Maanden[8] Herzlichen Dank für die Mitteilung der Anschriften der Graphiker. Gleichzeitig bekam ich auch Nachricht von Herrn
Ackermann, der beim Verlag
Van Dieren festgestellt hat, dass die beiden Graphiker Herr
D[ésiré] Acket und
Nelly Degouy ein Ehepaar sind! Ich habe also die innere Verwandschaft mit einiger Sicherheit herausgefunden, und das macht mir Spaß. Ich habe darauf auch gleich neulich an Frau
Acket-Degouy geschrieben und sie gefragt, ob sie die Kapitelstege für die zwölf Kapitel der
Maanden zeichnen wolle und hoffe auf ihre Zusage.
[9]
Wais "Gegenwartsdichtung"[10] Die Firma
Junker und Dünnhaupt schrieb mir leider, dass das Buch von Professor
Wais seit zwei Jahren völlig vergriffen sei. Sie hoffen, eine Neuauflage herauszubringen, und werden dann gerne Ihren Wunsch erfüllen. Die Firma bedauert sehr, Ihnen nicht gefällig sein zu können, aber ich werde nun meinerseits versuchen, das Buch antiquarisch zu erhalten. Hoffentlich habe ich Glück.
Heute fällt bei uns Schnee, und ich denke, auch bei Ihnen wird ja wohl der Winter vor der Türe stehen. Lasse Sie es sich gut gehen und grüssen Sie bitte die ganze Familie auf das herzlichste. In alter Verehrung stets
Ihr ergebener
(handtekening Adolf Spemann)
Annotations
[1]
Streuvels werd doctor honoris causa aan de universiteiten van Leuven, Münster en Pretoria.
[2]
De brief van Streuvels aan Spemann van 20 november 1943 vonden we niet terug in de geraadpleegde archieven.
[3]
Frank Norris,
Die goldene Fracht: Roman vom kalifornischen Weizen. Berlin, 1939. Oorspronkelijke titel:
The octopus: a story of California.
[4]
Spemann en Streuvels waren aan het onderhandelen over welke versie van
Minnehandel in de verzamelbundel
Ausgewählte Werke zou opgenomen worden.
Toch zou de verzamelde uitgave Ausgewählte Werke nog een tijd op zich laten wachten. Stuttgart was met zijn Daimler-Benzfabrieken een begeerd doelwit voor de geallieerden. In de strijd om het Ruhrgebied van 5 maart tot 14 juli 1943 voerden de geallieerden tussen de vijfhonderd en duizend vluchten uit tot boven Stuttgart. In de nacht van 11 maart 1943 werd Spemanns huis zwaar getroffen en hij had zijn leven uitsluitend te danken aan het feit dat hij met een tijgersprong de schuilkelder had bereikt. Bij de aanval van 24 juli tot 18 november 1943 op het noordelijk gelegen Hamburg kreeg het zuidelijk gelegen Stuttgart het nog eens hard te verduren. Daarbij werd vooral het stadscentrum zwaar getroffen. Bovendien werd de toevoer van papier afgesneden, zodat talloze uitgeverijen over de kop gingen. Toch zou Spemann de zaak blijven bagatelliseren tot in de herfst van 1943. De 'area bombing' trof Stuttgart in de nacht van 7 op 8 oktober. Het staande zetsel van Streuvels' Ausgewählte Werke in zwei Bänden werd vernietigd. Tijdens de slag om Berlijn tussen 18 november 1943 en 31 maart 1944 werd Stuttgart opnieuw hevig gebombardeerd. Tijdens het bombardement van 25 juli 1944 verloor Spemann zijn beide dochters, zijn huis en weer eens Streuvels' inmiddels gedrukte Ausgewählte Werke (ongeveer 4500 stuks). H. Speliers, Als een oude Germaanse eik, p. 478-480.
[5]
Nadat van
Minnehandel al in 1919 in Berlijn bij Georg Stilke Verlag een Duitse vertaling van de hand van Heinrich Pottmeyer was verschenen, zorgde Valeton in 1936 voor een nieuwe Duitse versie. Meteen staken hier problemen de kop op: Valeton baseerde zich voor haar vertaling blijkbaar op de
eerste druk van Minnehandel die in 1903 bij Veen was verschenen, terwijl Streuvels zijn oorspronkelijke tekst grondig herwerkt had voor de
tweede druk van 1921 en van mening was dat die versie werd gebruikt voor de Duitse vertaling. Bovendien bevatte de vertaling een aantal fouten die met de hulp van Streuvels moesten worden weggewerkt voor de tweede oplage van 5000 exemplaren ('6.-10. Tausend'), die er in juni 1936 kwam en die uiteindelijk acht bladzijden meer telde dan de eerste oplage van februari 1936.
[9]
Van
De maanden verschijnt pas in 1945 voor het eerst een Duitse vertaling:
Die zwölf Monde.
[10]
De bedoelde kaart van Streuvels aan Spemann van 19.12 vonden we niet terug in de geraadpleegde archieven.
Kurt Wais (Hrsg.), Die Gegenwartsdichtung der europäischen Völker. Berlin, Junker und Dünnhaupt, 1939.